[Rezension] In dieser ganz besonderen Nacht – Nicole C. Vosseler

Die sechzehnjährige Amber ist gezwungen, nach dem Tod ihrer Mutter nach San Francisco zu ziehen, zu ihrem Vater. Nicht schon schlimm genug, dass sie ihre Freunde in Deutschland hinter sich lassen muss – das Verhältnis zu ihrem Vater ist nämlich auch nicht das Beste, da sie sich nur selten gesehen haben.
So fühlt sich Amber unverstanden und übersteht die Zeit mehr schlecht als recht, bis sie schließlich eines Tages auf Nathaniel trifft, den sie für einen Obdachlosen hält. Doch bei Nathaniel fühlt sie sich verstanden, ganz im Gegensatz zu allen anderen Leuten in ihrer Umgebung. Hätte er nicht ein Geheimnis – ein Geheimnis, das Ambers Welt ein weiteres Mal auf den Kopf stellt…
Mein Verlust. Die Mutter verloren. Merkwürdige Ausdrücke dafür, was mir passiert war, dachte ich. Man konnte doch einen Menschen nicht verlieren wie einen Schlüssel oder einen Geldbeutel! Und noch viel weniger konnte man ihn suchen gehen und vielleicht wiederfinden.“
(S. 55, In dieser ganz besonderen Nacht)

Als ich „In dieser ganz besonderen Nacht“ erhielt, waren meine Erwartungen zwiegespalten. Einerseits war ich gespannt, da die Rückseite des Buches „eine hinreißend romantische Geistergeschichte“ verspricht, andererseits auch skeptisch, da es sich bei Nicole C. Vosseler um eine deutsche Autorin handelt. Ja, jetzt wird jemand entgegen halten: Sebastian Fitzek, Kerstin Gier, Bettina Belitz, Cornelia Funke, … usw. Da sage ich auch gar nichts dagegen, es stehen in der Tat einige sehr gute Bücher in meinem Regal, die von deutschen Autoren sind. Allerdings ist es auch so, dass die schlechtesten Bücher, die ich in meinem gesamten Leben gelesen habe, von deutschen Autoren stammen. Daher die Skepsis. (Ok, jetzt dürft ihr mich vorurteilig nennen. :D)
Das Buch beginnt unglaublich klischeehaft. Was wohl schon mit dem Tod von Ambers Mutter und dem Umzug weit, weit weg anfängt. Zwar frage ich mich, ob es nicht auch noch irgendwelche andere Anfänge gibt, aber im Rückblick auf das Buch muss ich gestehen, dass der Tod von Ambers Mutter für die Geschichte „notwendig“ ist. Trotz allem geht es klischeehaft weiter: Amber wird von Männern „getrieben“ und überfallen und tja… was auch immer. Ich kann darüber hinwegsehen, aber ich kann mir vorstellen, dass es dem ein oder anderen tierisch aufnimmt.
Die Geschichte geht zu Anfang ziemlich schleppend zu, da auf lange Zeit nicht wirklich etwas passiert. Das liegt wohl unter anderem an dem unglaublich ausladenden Schreibstil von der Autorin. Der ist nicht nur bildhaft, der ist wie eine Bildbeschreibungs-Klausur im Kunst LK. Also ein bisschen länger als nötig und ich bin über den ein oder anderen Schachtelsatz gestolpert. Andererseits gibt er auch die Möglichkeit, sich die Welt um Amber herum gut vorzustellen. Was so viel heißt, dass er letzten Endes nicht gut oder schlecht war, er ging also.
Ein weiterer Grund, wieso ich mir mit dem Anfang schwergetan habe, war, dass ich unglaubliche Probleme mit Amber hatte. Zwar verstehe ich, dass sie wegen dem Tod ihrer Mutter sehr, sehr angeschlagen ist, andererseits aber war sie stellenweise so unverschämt, dass ich nur den Kopf geschüttelt habe. Ihr Vater Ted macht alles, wirklich alles, um seiner Tochter den Einstieg in dieses neue Leben zu ermöglichen, und sie tritt ihn mit Händen und Füßen. Solche Stellen gibt es mehrmals und ich finde da einfach kein Verständnis für.
Die anderen Charaktere, die man im Buch trifft, sind dafür erstaunlich liebenswert. Da hätten wir zum Beispiel Matt und Holly, die ihre Haarfarben wechseln wie andere Leute die Unterwäsche, Ted, der wirklich ein aufopferungsvoller Vater ist, und alle anderen Nebencharaktere, die mit der Zeit auftauchen.
Dann ist da natürlich Nathaniel – den man leider das ganze Buch über kaum kennen lernt. Ambers Beschreibung nach sieht er zwar unglaublich gut aus, aber wirklich mehr über ihn erfährt man erst kurz vor Ende des Buches. Und obwohl kurze Passagen aus seiner Sicht geschrieben sind, fiel es mir schwer, eine Bindung zu ihm aufzubauen. Die Beziehung, die sich – natürlich – mit Amber anbahnt, ist zu Beginn ziemlich romantisch, wird aber immer… „realistischer“ und besser, greifbarer. Die beiden zusammen konnte ich also gut ertragen. 😀
Das hört sich bis jetzt alles ziemlich negativ an und tatsächlich tat ich mir schwer, Begeisterung bringen, weiterzulesen. Doch das Durchhalten lohnt sich – und wie! Denn hat man die Mitte geschafft, wird es richtig gut. Das kann ich jetzt hier nicht beschreiben, ohne zu spoilern, aber die Geschichte nimmt eine Wendung, die kein einziges Klischee mehr in sich hat und einfach unglaublich überraschend ist! Alle Klischees und Vorurteile, die ich zu Anfang noch hatte, habe ich an dem Punkt abgelegt und das Buch einfach nur genossen. Dann habe ich nämlich angefangen, mit dem Buch zu „leben“ – ich habe gelacht, war mit den Charakteren angespannt, habe mitgefiebert – und geweint. Und wie. Und ich dachte, ich hätte bei „Bevor ich sterbe“ viel geheult. Oder bei den Büchern von John Green. Ich heul ja eh oft bei Büchern, aber das waren zu viele Tränen. :‘D
So bleibt die Geschichte auf jeden Fall als aufwühlend in meinem Gedächtnis – aber vergessen werde ich sie sicher nicht! 
„In dieser ganz besonderen Nacht“ ist alles außer ein typisches, klischeehaftes Buch. Zwar schleppt sich die Geschichte am Anfang und auch die Protagonisten sind ein wenig problematisch, aber die Geschichte nimmt schließlich eine Wendung, die es in sich hat. Eine Wendung, die wirklich begeistert. Von daher kann ich es an die empfehlen, die bildhafte Schreibstile mögen und bereit sind, ein bisschen mehr Zeit in ein Buch zu „investieren“, das erst nach einer Weile richtig fahrt aufnimmt.
Vielen Dank an den cbj Verlag und Blogg dein Buch für das Rezensionsexemplar!
Titel: In dieser ganz besonderen Nacht

Hardcover: 576 Seiten
Verlag: cbj
Reihe: –
Preis: 18,99€
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2 Kommentare

  1. Danke für die tolle Rezension!
    ja, deutsche Autoren sind nie wirklich einzuschätzen, da ist die Spannweite breit 😀
    Aber schön, dass das Buch dir gefallen hat, der Klappentext hatte mich nicht wirklichen überzeugt. Aber ich liebe Bücher, bei denen man richtig weinen muss, ich packe es also mal auf meine WunschListe 😉

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