[Rezension] Boot Camp – Morton Rhue

Connor ahnt nicht das Geringste, als er eines Nachts plötzlich von zu Hause abgeführt wird und mit Handschellen gefesselt in einem Auto auf dem Weg in ein Camp ist. Und nicht nur irgendein Camp. Sondern Lake Harmony. Auch wenn Connor nicht einsieht, warum seine Eltern ihn ins Camp geschickt haben, so begreift er doch schnell, dass das Camp versucht, ihn zu ändern, ihn zu „bessern“ – und das sowohl mit körperlicher als auch mit psychischer Gewalt. Er weiß, dass er nichts Unrechtes getan hat. Einen Ausweg weiß er trotzdem nicht. Flucht – oder sich ändern lassen?!
Wisst ihr, liebe Leser, das hier ist eine ganz besondere Rezension. Nicht weil sie besonders gut oder besonders interessant ist und vielleicht auch nicht wegen dem Buch, sondern aus dem Grund, dass ich zum ersten (und sicher auch zum letzten) Mal in meinem Leben eine Schullektüre rezensiere. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr meine Gedanken nachempfinden könnt. Normalerweise liest man in der Schule nicht Bücher, die so… rezensionswürdig sind. Geschweige denn gut. Ich sage nicht, dass Andorra oder Wilhelm Tell nicht ihre Reize hatten, (irgendwo… irgendwie… ein paar nette Zitate geben sie jedenfalls alle ab) aber ich glaube, hätte ich eines der beiden hier rezensiert, wären alle Leser geflüchtet. Hehe. Naja. Das war einmal. Denn dieses Jahr kam es wie es kommen musste und wir begannen im Deutschunterricht die erste lesbare und gute Schullektüre.
Die Geschichte beginnt gleich mitten im Geschehen, an der Stelle, wo Connor von zwei „Transporteuren“ ins Camp gebracht wird, und dadurch, dass sie direkt aus seiner Sicht und auch noch in der Gegenwart geschrieben ist, ist man wirklich mittendrin! Außerdem stellt man schnell fest, dass jedes Kapitel mit einer Regel von Lake Harmony beginnt. Das kann zum Beispiel „Du musst uns deine intimsten Gedanken mitteilen“ sein. Hört sich jetzt unglaublich an, ist aber wahr.
Von Anfang an erfährt nämlich Connor den puren Drill in Lake Harmony, einer „Erziehungsanstalt“, in die Eltern ihre Kinder schicken können, weil sie auf Besserung hoffen. Connors Vergehen? Eine Beziehung zu seiner mittlerweile ehemaligen Lehrerin, die seinen Eltern schwer im Magen lag. Denn besonders seine Mutter muss auf ihr Image achten – und so kam es, dass sie Connor in das Camp schicken.
Der Morgen beginnt mit einem 8-Meilen-Lauf. Wer nicht mehr laufen kann, muss kriechen. Das Essen. Ungenießbar, Fast Food, gleichzeitig hört man Vorträge über gesunde Ernährung, zur Provokation, damit man nicht nachdenken kann. Man muss mindestens die Hälfte essen. Was man nicht isst, bekommt man wieder zum Essen. Einmal die Woche ist Restetag.
Das ist nicht alles, aber ich denke, es ist unglaublich genug. Und ich war auch wirklich schockiert, als ich gelesen habe, welche Zustände dort herrschen. Es ist außerdem umso unglaublicher und auch trauriger, dass solche Camps tatsächlich existieren. Es ist grausam. 
Durch den einfach gehalten Schreibstil lassen sich Connors Erlebnisse gut – beinahe hautnah – mitverfolgen, aber sein Charakter trägt dazu sicher noch einiges bei. Connor ist nämlich hochintelligent. Er durchschaut das Spiel der Aufseher, wenn sie ihn provozieren wollen, und er sieht auch gleichzeitig, dass er aus dem Camp nicht rauskommt, wenn er sich nicht verändert. Natürlich will er sich nicht verändern – er will nicht „gehirngewaschen“ werden und Gedanken und Überzeugungen annehmen, die nicht seine sind. Ich konnte seinen Zwist immer gut nachvollziehen, denn es ist wohl mehr als schrecklich und unmenschlich, was ihm alles widerfährt.
Connor ist natürlich nicht der einzige Charakter des Buches, aber wohl doch der, der den größten Anteil daran hat. Es gibt da natürlich noch Joe, den Aufseher, der alles darauf anlegt, Connor bloß zu stellen und zu schikanieren. Pauly, der von seinen Eltern nach Lake Harmony geschickt wurde, weil er seinem Dad nicht Mann genug war. Und Sarah, die Sarah, die nicht mal mehr von den Aufsehern provoziert wird, weil sie alles aufgegeben hat. Jeder der Charaktere hat seine eigene Geschichte zu erzählen und sie sind doch auf ihre Art und Weise interessant, selbst wenn meist nur die Oberfläche angekratzt wird.
Das hat mich ausnahmsweise mal nicht großartig gestört, da die Geschichte mich so gepackt und gefesselt hat, dass sie für mich trotzdem – ja, beinahe vollkommen war. Man will ein Kapitel lesen, noch eins, noch eins, und so fliegen die knapp 300 Seiten nur so an einem vorbei. Das Ende selbst reißt noch einmal das Ruder herum und kommt wirklich nicht so, wie ich es je erwartet hätte. Es hat mir wirklich Tränen in die Augen getrieben und es war einfach ein überraschender Abschluss!
„Boot Camp“ ist eine grausame Geschichte, die leider auf einem wahren Hintergrund basiert. Trotz allem wird sie von Morton Rhue erstaunlich gut und spannend erzählt, sodass man vom Buch aufgewühlt und atemlos zurückgelassen wird. Volle Empfehlung!
Und zuletzt wieder eine Frage an euch – wie schaut‘s denn mit euren Schullektüren aus? Habt ihr schon mal eine rezensiert, oder habt ihr bisher auch nur die „typisch grausamen“ Klassiker gelesen?
Titel: Boot Camp

Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag: Ravensburger
Reihe: –
Preis: 6,95€
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